Betriebsaufgabe und -veräußerung: Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung möglich

Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann - wie bei der vollständigen Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge - zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen - so lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.06.2022 (X R 6/20, BStBl 2023 II S. 112). Die Klägerin führte einen handwerklichen Betrieb, den sie Ende des Jahres 2013 einstellte. Einen Großteil der Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs veräußerte die Klägerin an die A-GmbH gegen Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente. Einige Wirtschaftsgüter waren aber von der Veräußerung ausgenommen und wurden ins Privatvermögen überführt, so dass von einer Betriebsaufgabe und nicht von einer gesamten Betriebsveräußerung auszugehen war. Das Finanzamt war daher der Auffassung, dass die Rentenzahlungen bei der Ermittlung des Aufgabegewinns mit ihrem vollständigen Barwert sofort zu berücksichtigen seien - ein Wahlrecht zur so genannten Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Allerdings wurde der ermäßigte Steuersatz für den Betriebsaufgabegewinn gewährt.

Der BFH beurteilt die Sache anders: Im Fall der Betriebsveräußerung gegen bestimmte wiederkehrende Bezüge kann der Steuerpflichtige zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung wählen. Der Grund für dieses Wahlrecht liegt darin, dass der Veräußerer einerseits ein gewisses Wagnis eingeht, wenn er den Kaufpreis nicht sofort in einer Summe erhält. Andererseits haben die laufenden Zahlungen einen Versorgungscharakter. Im Urteilsfall besteht eine ähnliche Interessenlage, so dass die Zahlungen der A-GmbH bei der Klägerin ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen können. Das Wahlrecht zwischen einer Zufluss- und einer Sofortbesteuerung ist im Fall der Betriebsaufgabe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige einen Teil der zuvor betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum behält. 


DSG-Logo schrägHinweis: Bei der Zuflussbesteuerung entsteht ein Gewinn erst, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stellt aber bereits im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar. Um Missverständnisse zu vermeiden: Mit einer "Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge" ist insbesondere eine Veräußerung gegen Zahlung einer Leibrente gemeint. Davon zu unterscheiden ist die reine Stundung des Kaufpreises.


 


DSG-Logo schrägHinweis: Die Zuflussbesteuerung anstelle einer Sofortbesteuerung bewirkt zwar eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen. Dieser Vorteil wird allerdings durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) "erkauft" und muss daher nicht immer günstig sein.


 

31.05.2023