Häusliches Arbeitszimmer: Zum Mittelpunkt der Tätigkeit eines Gutachters

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dann sind die Arbeitszimmerkosten bis 1.250 Euro abziehbar (ab 2023 gilt insoweit eine etwas andere Regelung mit einer Tagespauschale von bis zu 1.260 Euro). Hingegen sind die Kosten in voller Höhe abzugsfähig, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit darstellt. Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines psychologischen Gutachters den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstellen kann mit der Folge, dass die Aufwendungen unbegrenzt abzugsfähig sind (FG Münster, Urteil vom 18.08.2022, 8 K 3186/21 E).

Der Sachverhalt: Ein selbstständiger psychologischer Gutachter wird vor allem in Überprüfungsverfahren für Strafvollstreckungskammern und für Einrichtungen des Maßregelvollzugs tätig. Er machte Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von rund 2.400 Euro als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen lediglich in Höhe von 1.250 Euro an, weil das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers darstelle. Der qualitative Schwerpunkt liege in den für die Begutachtung unerlässlichen Explorationen der zu begutachtenden Personen. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Explorationen und die Gerichtstermine im Verhältnis zur Tätigkeit im Arbeitszimmer in einem zeitlich untergeordneten Rahmen lägen (Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5). Die Ausarbeitung der Gutachten erfordere die Auswertung aller vorliegenden Informationen und stelle die eigentliche Tätigkeit dar. Das FG hat der Klage stattgegeben.

Begründung: Der Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimme sich vorrangig nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit. Beim Kläger liege dieser in seinem Arbeitszimmer. Kern seiner Gutachtertätigkeit sei es, unter Ermittlung der erforderlichen Tatsachengrundlage eine Prognoseentscheidung zu treffen. Alleiniger Schwerpunkt dieser Tätigkeit seien die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten der Auswertung der Akten und der Explorationen und die darauf aufbauenden, für das Treffen und die Begründung der Prognoseentscheidung erforderlichen Recherche-, Rechen-, Bewertungs- und Schreibarbeiten. Demgegenüber stellten die Explorationen selbst keinen weiteren wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers dar.  

 

01.03.2023