Solidaritätszuschlag: Verfassungsbeschwerden wurden zurückgewiesen

Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst im Jahre 1991 eingeführt, galt aber lediglich befristet. Vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 wurde er nicht erhoben. Zum 1. Januar 1995 wurde er wieder eingeführt und gilt seitdem unbefristet. Es handelt sich um einen Zuschlag zur Einkommen-, Körperschaft-, Lohn- und Kapitalertragsteuer, um gezielt den "Aufbau Ost" zu finanzieren. Seit 2021 ist der Solidaritätszuschlag "rückgeführt" worden. Das heißt, er ist de facto für etwa 90 Prozent der Steuerzahler bei der Lohn- und Einkommensteuer weggefallen, weitere 6,5 Prozent werden teilweise entlastet, und 3,5 Prozent müssen ihn komplett weiter zahlen ("Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995" vom 10.12.2019). 

Der Bundesfinanzhof hatte entschieden, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig war (BFH-Urteil vom 17.1.2023, IX R 15/20). So habe in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes bestanden. Nun hat das Bundesverfassungsgericht auch die entsprechenden Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen (BVerfG, Urteil vom 26.3.2025, 2 BvR 1505/20). 

Der zum 1. Januar 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dar. Eine solche Ergänzungsabgabe setzt einen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraus, der durch den Gesetzgeber allerdings nur in seinen Grundzügen zu umreißen ist. Im Fall des Solidaritätszuschlags ist dies der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes. Ein evidenter Wegfall des Mehrbedarfs begründet eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Abgabe aufzuheben oder ihre Voraussetzungen anzupassen. Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber - bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe - eine Beobachtungsobliegenheit. Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann allerdings auch heute (noch) nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bestand und besteht folglich nicht. Zwar mag der Gesetzgeber bei einer Ergänzungsabgabe wie dem Solidaritätszuschlag nicht zu einer sozialen Abstufung verpflichtet sein; dies ändert aber nichts daran, dass er in Anbetracht des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Einkommensteuerpflichtigen zu einer solchen Abstufung berechtigt ist. Das gilt auch dann, wenn die sozialen Erwägungen - wie beim Solidaritätszuschlag 1995 - nicht bereits bei dessen Einführung, sondern erst bei dessen teilweiser Rückführung berücksichtigt werden. 
 

28.04.2025