Trennung und Scheidung: Wohnungsüberlassung gilt als Unterhaltsleistung

Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten können bis zu 13.805 Euro als Sonderausgaben abgesetzt werden, sofern der Empfänger hierzu seine Zustimmung erteilt. Im Gegenzug muss der Empfänger den gleichen Betrag als sonstige Einkünfte versteuern. Dieses Verfahren ist unter dem Namen Realsplitting bekannt. Als Unterhaltsleistungen gelten auch Sachleistungen, insbesondere der Wert der dem Ex-Partner überlassenen Wohnung. Wird dem Ex-Gatten die Wohnung "ohne Miete" aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung überlassen und vermindert sich dadurch die Barunterhaltsverpflichtung, wird dies im Rahmen des Realsplittings berücksichtigt (BFH-Urteil vom 12.04.2000, XI R 127/96). Fraglich war bislang, in welcher Höhe die Wohnungsüberlassung beim Sonderausgabenabzug anzusetzen ist. Hierzu hat der Bundesfinanzhof nun wie folgt Stellung genommen:

Bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung handelt es sich um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete beim Realsplitting berücksichtigt werden kann. Die ortsübliche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben (BFH-Urteil vom 29.06.2022, X R 33/20). Allerdings nimmt der BFH auch eine wichtige Differenzierung vor.

Der Sachverhalt: In der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung wurde ein Barunterhalt in Höhe von 600 Euro pro Monat bestimmt. Zudem wurde Folgendes geregelt: Solange die Ehefrau noch in der ehemals gemeinsamen Familienwohnung lebt, wird ein Anteil von 400 Euro als Wohnvorteil der Ehefrau bewertet und mithin nur ein Betrag in Höhe von 200 Euro an die Ehefrau vom Ehemann ausgezahlt. Im Rahmen der Steuererklärung legte der Mann jedoch dar, dass der Mietwert ca. 800 Euro beträgt. Demnach machte er anstatt 7.200 Euro ca. 12.000 Euro als Sonderausgaben geltend. Finanzamt und Finanzgericht lehnten diesen höheren Betrag ab, doch der BFH gab dem Steuerzahler zumindest dem Grunde nach Recht.

Eine Naturalunterhaltsleistung ist im Rahmen des Realsplittings auch dann mit dem objektiven Wert, hier mit dem ortsüblichen Mietzins, anzusetzen, wenn die Parteien in einer Unterhaltsvereinbarung subjektiv einen geringeren Betrag zugrunde gelegt haben. Allerdings macht der BFH folgende Einschränkung: Sofern die gemeinsamen Kinder weiter in der überlassenen Wohnung verbleiben, bleibt der auf sie entfallende Wohnvorteil bei den abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht. Zudem ist folgende Besonderheit zu beachten: Die Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten kann auch auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhen, also ein "echtes" Mietverhältnis darstellen. Dieses unterfällt nicht dem Realsplitting, sondern ist - wie bei einer Vermietung an Fremde - bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu würdigen.


DSG-Logo schrägHinweis: Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen können ungeahnte steuerliche Folgen auslösen, insbesondere wenn es auch um die Übertragung von Immobilien geht. So wird zuweilen übersehen, dass die Übertragung eines Grundstücks oder Grundstücksteils im Zuge einer Scheidung ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft auslösen kann. Bitte benachrichtigen Sie uns daher frühzeitig, wenn Sie entsprechende Vereinbarungen treffen möchten.


 

27.03.2023